Antibiotikahaltiger Knochenzement in der Hemiarthroplastik nach Schenkelhalsfraktur (SFH) - neue Erkenntnisse

Eine Schenkelhalsfraktur (SHF) führt häufig zu Mobilitätseinschränkungen und ist mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden.1

Die Hemiarthroplastik gilt als eine gute Behandlungsoption, insbesondere bei älteren Patientengruppen.
Trotz verbesserter Hygiene- und Behandlungsstandards ist die periprothetische Gelenkinfektion (PJI) jedoch nach wie vor eine der verheerendsten Komplikationen im Rahmen einer Hemiarthroplastik.2,3
Die Ergebnisse der prospektiven WHiTE 8-Studie, die am 21. Juni 2023 im Lancet veröffentlicht wurden, liefern nun wertvolle Erkenntnisse über das Management der zementierten Hemiarthroplastik und der Infektionsprävention bei Patienten mit Schenkelhalsbruch.4
 

Zusatz von Antibiotika verhindert nachweislich PJI

Die WHiTE 8-Studie schloss dabei insgesamt 4.936 Patienten im Alter von 60 Jahren oder älter aus 26 Krankenhäusern im Vereinigten Königreich (UK) ein. 
Bezogen auf die PJI-Entwicklung war die Fixierung von Hüftprothesen mit einem zweifach antibiotikahaltigem Knochenzement (DALBC) in der “Intention-to-treat-Analyse” 90 Tage nach der Randomisierung mit einer PJI-Rate von 1,2% verknüpft; in der Vergleichsgruppe trat bei Verwendung eines einfach antibiotikahaltigem Knochenzements (SALBC) eine PJI-Rate von 1,7% auf (p = 0,16).
Die "As-treated-Analyse" zeigte darüber hinaus in ihren Ergebnissen einen stärkeren Effekt mit PJI-Raten von 1,1% (DALBC) bzw. 1,8% (ALBC) und erzielte ein nahezu signifikantes Niveau (p = 0,077).
Die insgesamt in dieser Studie bestätigten sehr niedrigen PJI-Raten unterstützen den bereits in früheren Studien dargestellten Vorteil des Einsatzes von antibiotikahaltigem Knochenzement in der Hemiarthroplastik.17,18
Die niedrige PJI-Rate in der WHiTE 8 Gruppe, die mit zweifach antibiotikahaltigem Knochenzement versorgt wurde, steht im Einklang mit früheren Studien, die – mit Infektionsraten zwischen 1,1% und 1,2% – nahezu identische Ergebnisse gegenüber einem einfach antibiotikahaltigem Knochenzement zeigen konnten.5-7, 17
Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Studien längere Beobachtungszeiträume von 12 Monaten im Vergleich zu 90 Tagen in der WHiTE 8-Studie umfassten.8 *

Variables Risiko einer Infektion

Hygienestandards im OP, perioperative Prophylaxe sowie patientenbezogene Risikofaktoren können die Entstehungswahrscheinlichkeit einer PJI beinflussen.9
Die Prävalenz von periprothetischen Infektionen variiert je nach Art und Umfang einer Hemiarthroplastik und kann in bis zu 2% der Fälle bei Primäreingriffen auftreten, bei Revisionen in bis zu 4% der Fälle.10
Epidemiologische Studien weisen auf erhebliche Unterschiede bei den PJI-Raten und den Pflegestandards zur Infektionskontrolle in verschiedenen Gesundheitseinrichtungen weltweit hin.11

Reduzierung von PJI – das gemeinsame Ziel

Zusätzlich zu den patientenbezogenen Faktoren sollten perioperative Faktoren wie die Frequentierung des Operationssaals, der Zeitpunkt der Operation, die Auswahl der Antibiotikaprophylaxe und die Vorbereitung des Operationsumfeldes bewertet und optimiert werden, um die PJI-Raten weiter zu reduzieren.12
Auch strengere Maßnahmen zur allgemeinen Infektionsprävention, die im Rahmen der Pandemie und COVID Situation eingeführt wurden, könnten die PJI-Raten zusätzlich positiv beeinflusst haben.
Experten sind sich einig, dass eine schnelle chirurgische Versorgung und eine koordinierte Pflegesituation von entscheidender Bedeutung sind, damit sich Patienten schneller erholen und ihre Mobilität wiedererlangen.13,14
Einer PJI entgegenzuwirken sollte oberstes Ziel sein, insbesondere mit Blick auf die Versorgung von multimorbiden Hochrisikogruppen wie z.B. Patienten, die sich einer Hüft-Hemiarthroplastik unterziehen müssen.
So ist das Ergebnis einer großen dänischen Kohortenstudie, dass höhere Standards bei der Infektionsprävention das Risiko für eine erneute Operation aufgrund einer chirurgischen Wundinfektion reduzieren.15

Zunehmende klinische Erfahrung mit kombinierten lokalen Antibiotika

Zu diesem Zweck müssen eine ganze Reihe von Maßnahmen in Betracht gezogen werden.
Unter anderem stellt der Einsatz eines antibiotikahaltigen Knochenzements einen wichtigen Aspekt der lokalen Infektionsprävention dar.
Orthopäden weltweit haben ihr chirurgischen Standardverfahren bei der Durchführung einer Hemiarthroplastik für Patienten mit Schenkelhalsfraktur derart angepasst, dass zunehmend antibiotikahaltiger Knochenzement, einschließlich eines zweifach antibiotikahaltigem Knochenzements, eingesetzt wird.
Aufgrund der zunehmenden Zahl von endoprothetischen Eingriffen wird erwartet, dass die Zahl der Patienten mit periprothetischen Infektionen weiter steigen wird.
Es besteht die dringende Notwendigkeit, die Belastung durch periprothetische Infektionen für behandelnde Ärzte, Gesundheitseinrichtungen und Patienten zu verringern und die Notwendigkeit für infektionsbedingte Revisionseingriffe zu minimieren.16

* In einem Kommentar zu den Ergebnissen der WHiTE 8-Studie betonen Tarabichi und Parvizi, dass WHiTE 8 die bislang größte randomisierte, kontrollierte, multizentrische Studie ist, die die Wirksamkeit von prophylaktisch eingesetzten Antibiotika bei Patienten in Folge einer Hemiarthroplastik untersucht.8 Sie weisen jedoch darauf hin, dass eine Nachbeobachtungszeit von mindestens 12 Monaten erforderlich wäre, um die Wirksamkeit von zweifach antibiotikahaltigem Knochenzement zur Prävention von tiefen chirurgischen Wundinfektionen wirklich zu bestimmen.